Am Puls der Natur Feierabend, die Hühner gefüttert, Schafe und Rinder versorgt, ein Wink zu den Liebsten, dann ruft die Jagd. Noch einen Blick auf die roten Herbstäpfel im Apfelgarten der ehemaligen Pönitzer Gärtnerei, auf die vor zwanzig Jahren ge- pflanzten alten Sorten, wie Ruhm aus Kirchwärder oder gelb leuchtende Seestermüher Zitronenäpfel und jütländischer Signe Tillisch, dann geht es hinaus ins herbstlich leuchtende Revier. Zurück bleiben einige Skudden - eine alte Schafrasse, vier High landrinder, die Sven Braune gemeinsam mit einem Freund hält, einige Hühner, ein Gemüsegarten, das Gewächshaus und das klei- ne Stück ganz eigenes Landleben, das er mit seiner Familie teilt. Mit dabei ist Borderterrieerhündin Lola. Die kleine Hündin weiß ganz genau wann es ins Revier geht und ist auch ohne offizielles Zeugnis und Siegerprüfungsurkunde wertvolle Jagdbegleiterin, die mit feiner Nase und offenen Ohren manchen brauchbaren Hin- weis auf die Annäherung jagbaren Wildes liefert. Unauffällig und mit erdfarbener Jacke gut getarnt, fällt die kleine Begleiterin kaum auf. Eher schon ist da Sven Braune der, der auf- fällt, allerdings nur durch den leuchtend roten Jagdfleecer, der auf den Jäger im Revier aufmerksam macht. Die Begegnung mit dem Jäger und Tierazt selbst ist eher von unauffälliger Aufmerksamkeit geprägt, nachdenklich ruhig, ist der Blick aus blauen Augen hinter einem durchaus vertrauenerweckendem Vollbart, wenn man den Jäger in seinem Revier trifft. „Sein Revier“, das ist das Forstrevier Gießelrade. Rund 160 Hektar groß ist das Waldrevier, das sich Braune heute mit seinem ehe- maligen Revierförster als Pirschbezirk teilt. 78 Hektar darf er hier bejagen und aus dem lebendigen Treiben von Damwild, Rehen und Sauen unweit der Neustädter Bucht schöpfen. Vier Kilome- ter sind es bis ins Revier. Kaum weiter ist der Weg an die Ostsee, die für den Naturbegeisterten gleichsam reizvoll vor der Haustür liegend, mit Meerforellen, Dorschen und einer früh gewachsenen Angelleidenschaft für Zwiespalt sorgt. Revier oder Küste? Die Frage wäre noch zu beantworten, wäre da nicht noch der Ruf der Holsteiner Seen, unter deren spiegelnder Oberfläche und teilweise kristallklaren Wassern so mancher Hecht auf einen Streamer an der Fliegenrute wartet. Im Revier angekommen sind allerdings die Ablenkungen vorbei, sind alle Sinne geschärft, ist der Fokus auf das leise Anschlagen von Geweihschaufeln des Damwildes in den jungen Buchen- horten, die als Naturverjüngung das Revier bereichern, ein leises „Öff“ einer führenden Bache oder das leise Keuchen eines heim- lichen Rehbocks gerichtet. Zwischen Buchen, Eichen, einigen gebliebenen Eschen und eingestreuten Ahornbäumen, schafft die tief stehende Herbstsonne ein ganz eigenes Farbenspiel beim Be- such im Revier. Gekleidet in goldgelbe und sanftrote Töne bietet der Wald ein ganz anderes Bild, als in zartem Frühlingsgrün, verschmelzen Wildkörper noch viel stärker mit ihrer Umgebung und treten erst spät im November-Dezember nach dem Blätter- fall wieder deutlicher in Erscheinung. Da gilt es mitunter zweimal hinzusehen, wenn ein Damhirsch ins Zielfernrohr tritt. Überhaupt hat das Damwild seinen ganz eigenen Reiz für Sven Braune. »Für mich ist das Damwild mit seiner stetiger Aufmerk- samkeit und wachem Blick für seine Umgebung gerüstet, eine kleine Herausforderung für sich und deswegen besonders reizvoll«, sagt der Jäger. 60 Wildes Schleswig-Holstein Borderterrieerhündin Lola ist ständige Jagdbegleite- rin. Klein aber aufmerksam beobachtet sie ihr Revier und liefert manchen wertvollen Hinweis. Etwa sieben bis acht Sauen, 15 Stück Damwild und bis zu 25 Rehe kommen in einem Jagdjahr zusammen. Dazu zählen aller- dings der Besuch von Drückjagden ebenso, wie der Frühansitz vor der Arbeit, oder das Horchen in vollmondheller Nacht auf das leise Anwechseln von Sauen zwischen den hügeligen Waldteilen seines Pirschbezirks gleichermaßen. »Ohne die Akzeptanz in der Familie ginge das nicht«, sagt Braune. Hinter all dem jagdlichen Handeln stehen Passion und ein Leben draußen in Wald, Feld und an Wassern. Gleich daneben rufen eine Tierarztpraxis in Stockelsdorf und die Familie zu Hause nach dem Naturbegeisterten. Der Tod ist Begleiter. »Wie ist das als Tierarzt und Jäger«?, wollen wir im Gespräch mit Braune wissen. Morgens in der Praxis um das Leben eines geliebten Hausgenossen ringen und am Nachmittag den feurigen, heißen Tod aus einem Büchsenlauf antragen. Der Dialog mit dem Tod ist für Braune ein ständiger Begleiter. »Manchmal heißt es eben auch Abschied nehmen, einem Leiden ein Ende zu bereiten«, sagt Sven Braune. Viel anders als in der Praxis ist das im Revier nicht. Reh und Hirsch sind liebgewordene Beute, ein Schatz aus der Natur. Das 16 Gramm Lapua Naturalis Geschoss lässt Reh, Schwarz- und Damwild in der Regel sicher auf der Strecke liegen. Die geführte R8 Büchse mit Kunststoffschaft ist Handwerkzeug. Das montierte 8 x 30 Zeis Victory Drückjagdglas mit feinem Leuchtpunkt und 10 Millimeter großer Austrittspupille sorgt für eine präzise und schnelle Zielerfassung. »Das ist Handwerkzeug, solide und waid- gerecht, mehr nicht«, sagt Braune. Dann verliert sich der Schein der Novembersonne hinter dem Rand des kleinen Waldreviers, das ihm ans Herz gewachsen ist. Die kleine Jagdplauderei am Rand des Reviers hat den Nach- mittag mitgenommen. Reh und Dam hatten einen Nachmittag lang „Sonderschonzeit“. Noch einmal geht der Blick zurück in die Dämmerung zwischen die alten Buchen, lauschen die Ohren auf Füßetrappeln oder den Ruf des Uhus, der hier leise seine Kreise zieht, dann geht es nach Hause.